Hersteller-Perspektive


Was müssen Bauprodukt-Hersteller beachten

 

Autorin: Diana Fischer, M. Sc.

 

30. August 2012 - Die erste Station unserer Beitragsreihe befasst sich mit allgemeinen Grundlagen rund um das Thema Nachhaltigkeit im Bauwesen und soll als erste Einführung dienen. Wichtige Aspekte werden dann in den kommenden Artikeln vertieft.

 

Zum Begriff „Nachhaltigkeit“

 

Der Begriff „nachhaltende Nutzung“ tauchte zum ersten Mal während einer Energiekrise im 18. Jahrhunderts auf: 1713 forderte der damalige Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz, dass in einem bestimmten Zeitraum nur so viele Bäume gerodet werden dürften, wie im selben Zeitraum nachwachsen können. Diese erste Definition von „Nachhaltigkeit“ wurde in den vergangenen Jahrhunderten erweitert, sodass schließlich 1987 im Brundtland-Bericht der Vereinten Nationen die moderne Definition des Begriffs veröffentlicht wurde: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne die Bedürfnisbefriedigung zukünftiger Generationen zu gefährden“. Diese Bedürfnisse können ökologischer, ökonomischer und sozialer Natur sein. Nur wenn in allen Bereichen ein Mindestmaß an Zufriedenheit erreicht wird und dieses Maß auch zukünftig sichergestellt werden kann, gilt eine Entwicklung oder Handlung als nachhaltig.

 

Nachhaltigkeit ist also die Schnittmenge von Wirtschaftlichkeit, Ökologie und Sozialem. Diese Ebenen werden auch als „drei Säulen der Nachhaltigkeit“ bezeichnet.

Nachhaltigkeit als Schnittmenge von Ökologie, Ökonomie und Sozialem
Nachhaltigkeit als Schnittmenge von Ökologie, Ökonomie und Sozialem

Nachhaltiges Bauen

 

Aus der Grunddefinition von Nachhaltigkeit lassen sich unterschiedliche Forderungen für das Bauwesen ableiten:

 

  • Bauwerke sollten so beschaffen sein, dass durch ihre Herstellung, Nutzung und Entsorgung möglichst keine bzw. nur geringe Umweltbelastungen entstehen.
  • Bauwerke sollten in allen Lebensbereichen Nutzerkomfort und Sicherheit bieten.
  • Bauwerke sollten eine hohe Funktionalität und Wirtschaftlichkeit aufweisen.

Die Auflistung zeigt, dass die Ziele des Nachhaltigen Bauens nicht neu sind. Das Besondere an der Entwicklung der letzten Jahre ist vielmehr, dass die einzelnen Faktoren nun stärker zusammengefügt und die scheinbaren Gegensätze zwischen den einzelnen Zielen immer mehr aufgehoben werden.

 

Der Lebenszyklusgedanke – Grundlage für das Nachhaltige Bauen

 

Die zunehmende Verknüpfung der unterschiedlichen Forderungen ist vor allem einer neuartigen Entwicklung im Bauwesen zu verdanken: Während der Lebenszyklus eines Gebäudes früher sehr strikt in die Bereiche Planung/Bau, Nutzung und Entsorgung unterteilt wurde, werden heute bereits ab Planungsbeginn alle Lebenszyklusphasen beachtet, sodass die Bauwerke insgesamt optimiert werden können. Voraussetzung hierfür ist eine gute Zusammenarbeit zwischen allen direkt oder indirekt beteiligten Personenkreisen, zum Beispiel den Bauherren, Planern, Bauunternehmen und den Nutzern, vor allem aber auch den Herstellern der eingesetzten Bauprodukte. Dieser auch als „integrale Planung“ bezeichnete Prozess sichert die ökologische, soziale und ökonomische Qualität einer Immobilie – also ihre Nachhaltigkeit.

Das Kreislaufsystem von Stahl zeigt beispielhaft, wie der Lebenszyklusgedanke auf Bauproduktebene umgesetzt werden kann. – © bauforumstahl e.V.
Das Kreislaufsystem von Stahl zeigt beispielhaft, wie der Lebenszyklusgedanke auf Bauproduktebene umgesetzt werden kann. – © bauforumstahl e.V.

Ökobilanzen – Die Berechnung der ökologischen Qualität

 

Als Ökobilanzierung wird die Ermittlung der Umweltauswirkungen bei der Herstellung, Nutzung und Entsorgung von Bauprodukten und Gebäuden bezeichnet. Die Ergebnisse der Ökobilanz werden teilweise zum ökologischen Vergleich von unterschiedlichen Bauweisen während der Planungsphase oder auch für die Gebäudezertifizierung verwendet.

Auf Bauproduktebene setzt sich eine vollständige, den ganzen Lebenszyklus des Produktes umfassende Ökobilanz aus mehreren so genannten „Modulen“ zusammen. Diese umfassen unter anderem die Herstellung (Module A1 - A3), den Transport und Einbau (A4 + A5), die Nutzungsphase (B1 - B7), den Rückbau und die Entsorgung (C1 - C4) sowie Gutschriften außerhalb der Systemgrenzen, zum Beispiel für das Recycling (D). Für jedes Modul können Umweltauswirkungen wie der CO2-Ausstoß, der Energiebedarf oder die einzusetzenden Ressourcen ermittelt werden.

Modularer Lebenszyklus von Gebäuden und Bauprodukten nach DIN EN 15804
Modularer Lebenszyklus von Gebäuden und Bauprodukten nach DIN EN 15804

Umwelt-Produktdeklarationen und die ökobau.dat

 

Die in einer Ökobilanz ermittelten Werte für Bauprodukte können über unterschiedliche Plattformen verbreitet werden. In Deutschland werden die Ergebnisse insbesondere in Umwelt-Produktdeklarationen (engl. Environmental Product Declaration – EPD) und der Datenbank ökobau.dat veröffentlicht. Während sich die vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) veröffentlichte ökobau.dat auf die Bereitstellung der Ökobilanz-Ergebnisse konzentriert und derzeit vorwiegend Durchschnittsdaten für den deutschen Markt enthält, umfassen die vom Institut Bauen und Umwelt e.V. (IBU) verifizierten herstellerspezifischen Umwelt-Produktdeklarationen neben den Umweltwirkungen weitere umweltrelevante Informationen zu den einzelnen Produkten. Mit der Erstellung derartiger Deklarationen können sich Hersteller positiv hervorheben, weshalb wir uns diesem Thema in einem der zukünftigen Beiträge ausführlich widmen werden.

 

Nachhaltigkeitszertifikate für Gebäude – Qualität auszeichnen

 

Die Frage, ob ein Gebäude für seine Nachhaltigkeit ausgezeichnet werden sollte, hängt von einer großen Reihe von Faktoren ab. Vielen am Bau Beteiligten erscheint es beispielsweise unsinnig, die Wirtschaftlichkeit einer Immobilie bis ins kleinste Detail zu planen, um dann andererseits eine große Summe für eine Zertifizierung auszugeben. Dennoch erfüllen die in den letzten Jahren entwickelten und angewendeten Nachhaltigkeitszertifikate mehrere sehr wichtige Funktionen:

  • Für die Zertifizierungen werden messbare Kriterien zur Ermittlung der nachhaltigen Qualität von Gebäuden entwickelt und angewendet, wodurch Zertifikate das Thema Nachhaltigkeit vorantreiben.
  • Die medienwirksame Auszeichnung der Gebäude erhöht das positive Image von Bauherren, Planern und Nutzern, wodurch schließlich auch die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft gefördert wird.
  • Hersteller, deren Bauprodukte in zertifizierten Gebäuden eingesetzt wurden, können ihre Produkte besser vermarkten.

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Gebäudezertifikaten, von denen an dieser Stelle nur einige genannt werden können. Allein im deutsch- und englischsprachigen Raum gibt es über 80 Green-Building- und Nachhaltigkeitszertifikate für Bauwerke. In Deutschland sind folgende Systeme am bekanntesten:

  • DGNB (Deutsches Gütesiegel Nachhaltiges Bauen)
  • BNB (Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen für Bundesgebäude)
  • TÜV SÜD SCoRE
  • LEED (Leadership in Energy and Environmental Design)
  • BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Method)

Daneben wurden von vielen weiteren Initiativen, wie z.B. der Arbeitsgemeinschaft Industriebau e.V. sowie internationalen Organisationen eigene Zertifikate und Berechnungstools entwickelt. Weitere Informationen zu einigen Systemen können hier abgerufen werden.

 

Wenn Sie darüber hinaus Fragen, Wünsche oder Anregungen für weitere Themenvorschläge haben oder detailliertere Informationen benötigen, können Sie mich gern unverbindlich hierüber kontaktieren. Ich freue mich auf Ihr Feedback!