Green Building Summit 2010


Von der grünen Theorie zur grauen Praxis

 

Text: Dagmar Hotze

 

26. Februar 2010 - Wer im Februar 2009 den 2. Green Building Summit besucht hat, konnte eine leichte Aufbruchstimmung spüren. Auch wenn den Teilnehmern die Schrecken des Jahres 2008 noch tief in den Knochen saßen. Was konnte es besseres geben, als Optimismus zu verbreiten. Und es gab auch gute Gründe dafür. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) mit ihrem Zertifizierungssystem war auf den Weg gebracht, die unkalkulierbaren Energiepreise machten energieeffizientes Bauen notwendig und Klimaschutz war zum öffentlichen Thema geworden. Jetzt, ein Jahr danach, ist die Emotion der Ernüchterung gewichen. Die "grüne Theorie" musste sich der grauen Praxis stellen. Mit der Erkenntnis, dass die praktische Umsetzung des Begriffs "Nachhaltigkeit" ein äußerst schwieriger Prozess ist, wie der Gipfel zeigte. 

 

Nachhaltigkeit ist eine Aufgabe mit mehreren Unbekannten

 

Wer Mehrwert schaffen will, muss Nutzen aufzeigen. Dazu benötigt er Daten, die diesen Nutzen kalkulierbar und vergleichbar machen. Um nichts anderes geht in in der Debatte um Green Buildings, ihre Zertifizierung und ihre Nachhaltigkeit. Doch Nachhaltigkeit zu dokumentieren, herzustellen und zu gewährleisten ist eine Aufgabe mit mehreren Unbekannten, wie Prof. Walter Weiss, Ernst & Young Real Estate GmbH, am ersten Tag klarstellte. Und das macht die Sache nicht einfacher. 

 

Die Wohnungswirtschaft kämpft an allen Fronten der Nachhaltigkeit gleichzeitig und kennt ihre "Unbekannten" nur zu gut, so Ingeborg Esser, Mitgeschäftsführerin des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Die wirtschaftliche Dimension der energetischen Modernisierung von Bestandsgebäuden stellt viele Unternehmen vor existenzielle Fragen und die soziale Dimension zeigt die Grenzen auf, wenn es um die Bezahlbarkeit von energiesparendem Wohnraum geht. Nicht alles was ökologisch sinnvoll ist, ist auch wirtschaftlich tragfähig, wußte Christian Brückner, Bereichsleiter Strategische Portfolioentwicklung, TLG Immobilien. Gerade bei größeren Immobilienbeständen in Ostdeutschland gibt es erheblichen Steuerungsbedarf. Bis in die jüngste Vergangenheit wurden hier ressourcenschonende Baumaßnahmen ergriffen, so dass 50 % des dortigen Bestandes saniert wurde. Oftmals umsonst, denn es fehlt schlichtweg die Nachfrage.

 

Der Gang in den Heizungskeller

 

Wenn schon keine blühenden Landschaften im Osten, dann aber im Westen. Nämlich dort, wo der internationale Markt für nachhaltige Büro- und Gewerbeimmobilien wächst. Welche Möglichkeiten bieten sich den Beteiligten, um "grüne" Gebäude als eigene Assetklasse am Immobilienmarkt zu etablieren, wie es sich Tajo Friedemann, Consultant bei Jones Lang LaSalle wünscht? Zunächst ist dazu der "Gang in den Heizungskeller" notwendig, um die energetischen Daten zu verifizieren und in der DIN 18599 zu bilanzieren. Hier unterscheiden sich die Vorarbeiten zu dem von der Immo-

bilienwirtschaft gepushten DGNB-Zertifikat nicht von denen, einen Energieausweis zu erstellen. Denn Grundlage ist in jedem Fall die gültige Energieeinsparverordnung (EnEV). Aber mit welcher Wirkung? Dass der Energieausweis aufgrund der fehlerhaften DIN 18599-Softwareprogramme wenig Aussagekraft besitzt, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Martin Kusic, Vorstand ArchiNea AG, zeigte die Defizite unmissverständlich auf. Aber ein DGNB-Zertifikat soll für Qualität bürgen. Zudem stellen die engagierten DGNB-Mitglieder hohe Ansprüche an sich und ihre Arbeit. Wird hier "grün gerechnet" und weniger ein grundsätzlich neuer Weg beschritten, der tatsächlich zu mehr Nachhaltigkeit im Bau- und Immobilienbereich führt? Mitnichten, kann man versichern. Vielmehr wird deutlich, dass nicht kurierte Kinderkrankheiten im Erwachsenenalter erhebliche Probleme bereiten können. Die Umsetzung der DIN 18599 mit Hilfe unausgereifter Computerprogramme ist eine solche Kinderkrankheit, die einer Masernerkrankung gleichkommt. Als Kind schnell überstanden, im gereiften Alter mit erheblichen Komplikationen verbunden. So gesehen ist die "Gesundwerdung" der DIN 18599 eine von den erwähnten Unbekannten.

Sag mir, wo die Brennstoffe sind

 

Doch das ist noch nicht alles. Ein Virus, um beim Thema zu bleiben, kann mutieren und in anderer Konstellation auftreten. Dies führt uns zu der nächsten Frage: Wie verhält es sich eigentlich mit der Wahl der Brennstoffe bei der Wärmeversorgung nachhaltiger Gebäude? Michael Gunter, Geschäftsführer, GITA Consult, warf einen Blick in das Erneuerbare-Energie-Wärmegesetz (EEWärmeG) und zeigte, wie ein Gesetz Spielraum für mehrere Wege zu einer angeblich "regenerativen Energieversorgung" bieten kann. Denn neben dem "verbindlichen Einsatz von Solaranlagen, Wärmepumpen, Biomasseheizungen oder einem Blockheizkraftwerk (BHKW)" läßt das EEWärmeG "alternativ den Einsatz von Nah- und Fernwärme mit einem bestimmten Anteil aus erneuerbaren Energien zu". Wie bitte? Fernwärme? Fernwärme setzt sich zu 90 % aus Erdgas, Stein- und Braunkohle zusammen. Wo ist da der Ressourcenschutz, wo die Nachhaltigkeit? Wie verträgt sich der Anspruch, nachhaltige Immobilien schaffen zu wollen, mit der Verbrennung fossiler Brennstoffe in eben diesen? Das wirft Fragen auf. Wird das durch die Produktion der Brennstoffe entstehende CO² mit in die Ökobilanz des Gebäudes eingerechnet? Welchen Einfluss nimmt dieser Sachverhalt auf die Bewertung durch ein DGNB-Zertifikat? Fragen, die  Ratlosigkeit hervorrufen und verunsichern. Erinnern wir uns: Fernwärme wird zumeist von kommunalen Energieversorgern angeboten. Kombinieren wir also: Fördert die öffentliche Hand einerseits die Verwendung von regenerativen Energien beim energiesparenden Bauen, um andererseits diese Gebäude dann mit fossilen Brennstoffen durch die Fernwärmezufuhr zu beliefern?

 

Handelt es sich hierbei um eine verschleppte Kinderkrankheit oder um einen Befall größeren Ausmaßes, würde ein Arzt fragen und den Patienten zur Beobachtung gleich dabehalten. Doch die Intransparenz der sich überschneidenden Gesetze begünstigt dieses fragwürdige Vorgehen. So werden Klimmzüge unternommen, um nachhaltig zu Bauen. Für eine gleichermaßen notwendige (Struktur-)reform der Energieversorgung, die diesem Ziel entspricht, finden sich indes kaum Engagierte. Aber wer will böses dabei denken.

Werner Dorß, FPS Rechsanwälte und Notare
Werner Dorß, FPS Rechsanwälte und Notare

Die Dynamitstange in der Hand

 

Fakt ist, dass sich der Druck auf die international ausgerichtete Immobilienwirtschaft im vergangenen Jahr weiter erhöht hat. Qualifizierte und belastbare Ergebnisse über die nachhaltige und energieeffiziente Beschaffenheit eines Gebäudes müssen her. Wo sind die DGNB- und LEED-Zertifikate, die das beweisen. Andernfalls sehen die Vermarktungs- und Vermietungschancen noch schlechter aus, als sie es ohnehin schon sind. Neugebaute Bürogebäude lassen sich zügig zertifizieren, Altbestände nicht sofort. Die Guten ins Töpfen, auf die Schlechten wartet die Abrissbirne. Wann der Markt kippt, angesichts der erheblichen Überkapazitäten an unzeitgemässen Beständen, vermag auch Hermann Horster, Head of Sustainability, BNP Parisbas Real Estate, nicht zu sagen. Das Szenario, eine brennende Dynamitstange in der Hand zu halten, kommt also nicht von ungefähr für die Branche.

 

Hilfe ist allerdings so schnell nicht in Sicht. Da ist zunächst ein erhebliches Defizit in der Ausbildung von entsprechenden Fachleuten. Wie soll integrale Planung und Projektsteuerung von nachhaltigen Gebäuden umgesetzt werden, wenn die Beteiligten nicht wissen, wie dies funktioniert. Da ist ein Steuersystem, das keinerlei Anreize für Investitionen in Green Buildings bietet. Die Bankenwelt hält sich bei der Finanzierung noch weitesgehend zurück und Werner Dorß, FPS Rechtsanwälte und Notare, verdeutlichte, dass der rechtliche Rahmen für Energieeffizienz und Green Buildings unüberschaubar ist und einem Dschungel gleicht. Was zu der Frage führt, was der Gesetzgeber eigentlich erreichen will?

 

Es ist nicht einfach "grün zu sein"

 

Doch kommen wir zurück zu der Dynamitstange. Was macht die Immobilienwirtschaft damit? Die Mitglieder der DGNB haben einen Ausweg aufgezeigt, wie man die Lunte löschen kann und das Risiko in den Griff bekommt. Durch ihre interdisziplinäre Herangehensweise ist es ihnen gelungen, einen ausgereiften Kriterienkatalog in Form von Steckbriefen vorzulegen, der für transparente Daten und logische Arbeitsabläufe sorgt. Damit haben sie dem gesamten Wirtschaftszweig ein Werkzeug an die Hand gegeben, mit dem sich "Nachhaltigkeit" in alle unternehmerischen Prozesse integrieren läßt. Der abstrakte Begriff bekommt damit endlich eine konkrete und messbare Form. Er wird gesellschaftsfähig. Er hilft, eingefahrene Strukturen und überkommene Denkschemata aufzubrechen. Dieser Aspekt ist vielleicht der wichtigste in der gesamten Debatte um Green Buildings. Je mehr Wissen über Nachhaltigkeit in der Wirtschaft und Gesellschaft vorhanden ist, um so schneller ist auch die bedrohliche Dynamitstange entschärft - denn wenn sie explodiert, fliegt sich uns allen um die Ohren. Doch es ist nicht einfach "grün zu werden". Der 4. Green Building wird zeigen, in wie weit sich die Strukturen verändert haben, um "grün zu sein".