Immobilienwirtschaft 2013


Immobilienwirtschaft steht vor einer Zeitenwende

 

12. Juni 2013 - Fast 150 Teilnehmer zählte die diesjährige Handelsblatt-Jahrestagung der Immobilienwirtschaft am 10. und 11. Juni in Hamburg. Das abzuarbeitende Pensum war enorm: Vom Mangel an bezahlbaren Wohnungen, über lukrative europäische Immobilienmärkte und die Zukunft von indirekten Immobilienanlageprodukten bis zu den Herausforderungen der Immobilienfinanzierung – die Themenpalette zeigte eindrucksvoll die Handlungs- und nicht zuletzt Problemfelder der Immobilienbranche. Sie sind gewaltig und sie verlangen nach Lösungen.

Wo geht's hier zu tauglichen Lösungen | © greenIMMO
Wo geht's hier zu tauglichen Lösungen | © greenIMMO

Nicht auf den gesellschaftlichen Wandel vorbereitet

 

Wer hierfür Impulse erwartete, der wurde am ersten Tag doch etwas enttäuscht. Denn sowohl die gleich zu Beginn diskutierte Situation am Wohnungsmarkt mit Vertretern aus Politik, anwesend waren CDU, SPD und Grüne, der Immobilienwirtschaft, hierfür standen Thomas Zinnöcker, Vorstandsvorsitzender GSW, und der Vizepräsident des ZIA, Klaus-Peter Hesse, zur Verfügung sowie Franz-Georg Rips vom Deutschen Mieterbund und Eric Romba als Hauptgeschäftsführer des Verbands geschlossener Fonds, als auch die nachfolgenden Vorträge zum Thema Finanzmarktkrise von Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank oder das Panel zu Investmentchancen an den EU-Immobilienmärkten, ließen ein Problem weitestgehend außer acht: Für den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel, der sich aktuell in Deutschland und Europa vollzieht, sind die jetzigen Immobilienformate und bisherigen Stadtstrukturen völlig ungeeignet. Weder die momentane Art des Wohnungsbaus, noch die Konzeption von Büros oder Shopping Center, ganz zu schweigen von Infrastrukturthemen wie Mobilität, Energieversorgung, Gesundheit, Verwaltung und Kommunikation berücksichtigen dies. Doch kein Redner sprach es an oder aus.

Unzeitgemäße Altbestände hängen oftmals in den Bilanzen | © greenIMMO
Unzeitgemäße Altbestände hängen oftmals in den Bilanzen | © greenIMMO

Regulatorische Maßnahmen schaffen keine zukunftsfähigen Ideen

 

Das Paradoxe an diesem Tag, war die Erkenntnis, dass es an „billigem Geld“ nicht zu fehlen scheint. Zeitgemäße Immobilien zu realisieren oder bestehende zu revitalisieren stünde demnach nichts im Weg. Doch die Kosten und die Rendite – nein, keine Experimente bitte oder so wenige, wie nur möglich. Also suchen die Investoren Hände ringend nach „Core“-Immobilien und weichen in Ermangelung an entsprechenden Angeboten in die B- und C-Nischen aus. Gehandelt wird beinahe wie vor der Finanzkrise, allerdings jetzt mit angezogener Handbremse. Die Risiken müssen für Banken und Immobilienwirtschaft schließlich kalkulierbar sein. Soviel Sorgfalt muss schon sein. Na denn.

 

Wer nun glaubt, die gesetzlichen Maßnahmen durch AIFM, KAGB und Basel III, tragen zu sicheren Investments bei, irrt. Denn inwieweit es sich bei dem getätigten Investment um eine zukunftsfähige, nachhaltige (baulich und wirtschaftlich betrachtet) Investition handelt, lässt sich nicht „verregulieren“ – zumindest nicht über Kapitalanlagegesetze. Es obliegt dem treuhänderisch Tätigen einzuschätzen, wie nachhaltig die Kapitalanlage ist. Trau, schau, wem. Der Vortrag von Friedrich Wilhelm Patt, Sprecher der Geschäftsführung, Hannover Leasing, über die Zukunft der indirekten Immobilienanlage am Ende des ersten Tages war in diesem Zusammenhang ein wohltuender Kontrapunkt. Er legte den Finger in die Wunde und hob genau auf den springenden Punkt ab: Wer anderer Leute Geld in Immobilien investiert, muss fachlich qualifiziert sein. Gerechnete Versprechen in Bundblatt-Prospekten taugen dazu wenig. Das Asset Management gibt den Ausschlag. Hier trenne sich in den kommenden Jahren die Spreu vom Weizen.

Qualifiziertes Know How statt schnelles Geld? | © greenIMMO
Qualifiziertes Know How statt schnelles Geld? | © greenIMMO

Back to the roots

 

Am späten Vormittag des zweiten Tages ging es in den mitreißenden Vorträgen von Thomas Straubhaar, Direktor des HWWI, Andreas Haderlein zum Thema Einzelhandel und Zsolt Sluitner, CEO, Siemens Real Estate, um die alles bestimmende Frage: Wie zukunftsfähig ist die Immobilienbranche und ihre Produkte in Sachen Nachhaltigkeit, fachliche Kenntnisse, Weitblick, Eignung, Nutzeranforderung, Marktnachfrage, Trends erkennen, Prozesse reformieren und langfristige Szenarien entwickeln. Es bleiben nach der Tagung viele Fragezeichen. Eines wurde jedoch deutlich: Die Immobilienwirtschaft steht vor einer Zeitenwende. Sie wird nur von denen gemeistert, die ihrer Funktion gerecht werden: Langfristige Sachwerte zu schaffen.

 

Vielleicht gelingt es im kommenden Jahr die notwendige offene Diskussion anzustoßen, wenn das Veranstaltungsformat weg von der Frontalpräsentation zugunsten interaktiv mitzugestaltender Workshops erneuert wird.