Big Data, Smart Research?

Ein Gespräch mit Dr. Thomas Beyerle, Chef-Researcher der Catella Group, über Digitalisierungsdruck und Robo-Researcher

 

greenIMMO:  Herr Dr. Beyerle, das Sammeln und Aufbereiten von Daten ist in Unternehmen nichts Neues. Auch nicht die Beweggründe dies zu tun: Sie wollen sie möglichst gewinnbringend verwerten. Nun setzt die Digitalisierung völlig neue Maßstäbe für die Datenkollekte und die Analyse. Wo steht hier die Immobilienwirtschaft?

 

Dr. Thomas Beyerle: Ehrlich gesagt ist der Status quo noch immer: Daten sind wichtig und helfen bei Risikoeinschätzung einer Aufgabenstellung, sind aber nicht die Lösung selbst. Und: Daten sollten verfügbar sein, sollten aber auch nicht viel kosten. Mit dieser Denkhaltung darf deshalb durch Branchenfremde unterstellt werden, dass es ein „Raum für Verbesserung“ gibt. Das ist sicher eine sehr andere Darstellung als wir sie aus der konsumgüterorientierten algorithmisierten Datenwelt kennen. Allerdings wächst das Problembewusstsein und ich gehe davon aus, dass es mehr ist als eine Avantgarde, welche aufgrund des Digitalisierungsdrucks hier eine andere Position und Wertschätzung entwickelt.

© Catella Group
© Catella Group

Achillesferse Open Data

 

greenIMMO: Traditionell sind Immobilien-Researcher Datenjäger und -sammler. Wenn Sie Ihre Arbeit mit der von vor, sagen wir 10 Jahren, vergleichen, was hat sich geändert, um an Daten zu gelangen?

 

Dr. Thomas Beyerle: Zuallererst ist in der Breite die Verfügbarkeit von immobilienwirtschaftlichen Daten und Datenbanken zu nennen. Zu Beginn bestand die Analystentätigkeit in der Tat bei 80 % Sammeln : 20 % Auswerten. Das hat sich jetzt auf 30 % : 70% verändert – vorausgesetzt, man hat Zugang zu kostenpflichtigen Datenbanken. Leider scheiterten bisher fast alle Modelle der freiwilligen Datenlieferung – allerdings hat die gif e.V. mit der Büromarkterhebung ein Instrumentarium entwickelt, welches seit 20 Jahren eine fundierte, am Markt akzeptierte und kostenlose Darstellung liefert. Grundsätzlich ist die Achillesferse in Deutschland sicherlich die Aktualität und vor allem die Markttiefe – so dass es letztlich ein breites Angebot an „Marktdaten“ gibt, die man allerdings nur mittelbar vergleichen kann. Stichwort: A-Standorte vs. B-Standorte oder die berühmten Spitzenmieten im Spitzensegment, welche den Gesamtmarkt nur sehr unzureichende abbilden. Aber: besser eine Zahl als keine Zahl.

 

greenIMMO:  Welche Daten sind überhaupt relevant bzw. welche könnten zukünftig für Immobilienunternehmen interessant sein?

 

Dr. Thomas Beyerle: Die jeweilige Marktverfassung definiert letztlich die Wertschätzung der einzelnen Daten bzw. Indikatoren: In anziehenden oder gar boomenden Märkten sind die sogenannten Comparables bzw. die Vervielfältiger, vor allem die Veränderung innerhalb von Zeiträumen, von außerordentlichem Interessen. Hinzu gesellen sich auch Transaktionsvolumina, Spitzenmieten, Mietvertragslaufzeiten oder z.B. Flächenabsorption aufgeteilt auf Branchen, etc.. Schwingt ein Markt ab, ist z.B. die Frage nach der Wertveränderung des Objekts von Relevanz. Also die ökonomische Nachhaltigkeit der Mieten und auch die Zahlungsbereitschaft am Markt für Objekte die im Abschwung verkauft werden. Diese alle stellen den Stichtag dar, auf Basis der Veränderung und der Fundamentaldaten wird dann gerne eine Prognose abgeleitet.

 

Sinnvoller Einsatz von Predictive Analytics    

 

greenIMMO:  Werden wir mal konkret und überlegen beispielsweise, welche Rolle Daten beim Sondieren des Immobilienmarktes spielen könnten, um früher ein lukratives Objekt zu erkennen als die Konkurrenz. Denn momentan fischen alle im selben Teich, das treibt die Preise und die Risiken auch. Wir wollen also Predictive Analytics betreiben. Sind Fonds und Immobilieninvestmenthäuser bereits derart digital aufgestellt und können Smart Data einsetzen?

 

Dr. Thomas Beyerle: Ein klares Nein. Denn die gute alte methodische Feststellung „garbage in, garbage out“ gilt hier maßgeblich. Wenn die Marktabdeckung nur unzureichend ist, hilft auch das beste Programm bzw. Algorithmus nichts. Allerdings möchte ich die Aussage auf „weite Teile Europas“ einschränken. In den USA, UK oder Australien mit einer traditionell sehr hohen Datendichte und Verfügbarkeit sind einige Modelle ja bereits im Einsatz (Stichwirt Robo Advisor). An dieser Stelle sei aber auch angemerkt, dass wir Analysten und damit auch unsere Kunden gerne uns in Zahlen ergehen .gemäß dem Thema „Je mehr, desto besser im Sinne von transparenterer“. Allerdings ist die fast wichtigere Arbeit die Prognose der sogenannten Marktwendepunkte. Hier sehe ich den Einsatz von Predictive Analytics als wesentlich sinnhafter an, als Mietprognosen für das 2. Quartal 2035 am Hamburger Büromarkt.

 

Wir werden Robo-Researcher definitiv sehen 

 

greenIMMO: Das führt uns zum erforderlichen Know-how, mit dem aus Big Data Smart Data wird. Arbeiten Sie zum Beispiel in Ihrer Abteilung fachübergreifend mit IT-Analysespezialisten zusammen?

 

 Dr. Thomas Beyerle: Fachübergreifend ja. Wir haben in unserer Konzernzentrale in Stockholm eine eigenes Risikounternehmen, an welchem ich mich gerne orientiere und „Honig sauge“. Dass deren Haupttätigkeit in der Risikomodellierung von Anlageentscheidungen auf den Assetklassen Aktien & Renten liegt, verdeutlicht einmal mehr die Gewichte innerhalb der Anlageklassen.

 

 greenIMMO: Wie denken Sie, wird die Digitalisierung Ihre Tätigkeit in Zukunft verändern? Bisher sind Sie der "Herr der Daten", dessen Analysen über Risiken und Nebenwirkungen aufklärt. Wird das so bleiben oder kommt irgendwann der Robo-Researcher?

 

Dr. Thomas Beyerle: Nein, es wird sich in den nächsten 10 Jahren dramatisch ändern. Nur sollte allen bewusst sein, dass ein Mehr an Datenbanken nur vordergründig die Märkte transparenter, stabiler und damit prognostizierbarer macht. Ich bin fest davon überzeugt, dass es immer ein „gesundes Halbwissen“ geben muss. Einfacher formuliert: Intransparenz am Immobilienmarkt ist eine wesentliche Voraussetzung um eine Rendite zu erwirtschaften - schließlich hängen Rendite und Risiko ja zusammen. Allerdings bin ich ein Freund von allem was die Immobilienwelt digitaler macht – und hier werden wir Robo-Researcher definitiv sehen.

 

greenIMMO: Herr Dr. Beyerle, wir danken Ihnen für das Gespräch.