© Jonas Haberkorn
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greenIMMO: Herr Haberkorn, Sie haben kürzlich den Blog „Gewerbe-Quadrat“ ins Leben gerufen, der sich vornehmlich mit Innovations- und Zukunftsthemen im Bereich Gewerbeimmobilien beschäftigt. Was ist Ihre Motivation für den Blog?

 

Jonas Haberkorn: Dazu möchte ich Ihnen eine kurze Geschichte erzählen. Im Rahmen der EXPO REAL 2015 registrierte ich mich auf Twitter. Die professionelle Kommunikation während der Messe zog mich sofort in den Bann. Vor allem der Einsatz digitaler Medien in der Immobilienwirtschaft weckte meine Neugierde. Außerdem wollte ich gezielt das Konferenzprogramm am letzten Messetag bewerben, da ich für die gif e. V. als Referent zum Thema "Jobperspektiven in der Immobilienwirtschaft" tätig sein durfte. Kurioserweise war also die „analoge“ Fachmesse mit Tausenden von Besuchern der Beginn für meine „digitalen“ Aktivitäten. Auf Twitter begann ich Unternehmen, Nachrichtenportalen und Privatpersonen zu folgen. Faszinierend an Twitter ist die internationale Vernetzung und die Möglichkeit, innerhalb weniger Minuten neue Informations- und Inspirationsquellen zu entdecken. Bis heute begeistern mich vor allem die Vereinigten Staaten als Ursprung und Sinnbild von Immobilien. Schließlich war ich auch von der atemberaubenden Geschwindigkeit der Datenwege auf Twitter gefesselt. Doch nach der EXPO erschöpfte sich die Social Media-Kommunikation innerhalb der Immobilienwirtschaft, zumindest innerhalb Deutschlands.

 

Ausgangspunkt für den Blog war die Liste „The 21 Best Commercial Real Estate Blogs On The Planet“, die ich auf Twitter entdeckt hatte. Meine anschließende Recherche nach deutschen Blogs im gewerblichen Immobiliensektor fiel ernüchternd aus. So existieren neben dem EXPO REAL Blog praktisch nur Corporate Blogs. Und bei einer Vielzahl vermisse ich eine moderne Gestaltung, den umfassenden Einsatz von Social Media und einen gewissen Wortwitz. Also beschloss ich, diese Marktlücke in Deutschland zu besetzen: "Gewerbe-Quadrat - Der unabhängige Blog rund um Gewerbeimmobilien". Letztlich stellt der Blog nur den Versuch dar, neue Kommunikationswege innerhalb der Immobilienbranche zu etablieren. Gewerbe-Quadrat ist als unabhängige Kommunikationsplattform konzipiert. Die Themen sind abseits der klassischen Pressemeldungen in der Immobilienwirtschaft angesiedelt und sollen mit neuen, innovativen Elementen veranschaulicht werden. Meiner Meinung nach ist das die unausweichliche Zukunft.

greenIMMO: Fehlt Ihrer Ansicht nach bisher ein entsprechendes Medium? Für die Technologiebranche ist das Printmagazin „WIRED“ etwa Pflichtlektüre, um zu wissen, was sich in der Branche tut. Online werden die Themen dann vertieft und teilweise mit Videos und interaktiven Grafiken angereichert. Braucht es in der Immobilienwirtschaft ein ähnliches Format?

 

Jonas Haberkorn: Bekanntermaßen ist die Immobilienbranche eine vergleichsweise junge und hoch fragmentierte Branche. Angesichts dieser Tatsache können die großen Zeitungen und Magazine durchaus als Pflichtlektüren angesehen werden. Print steht in der Immobilienwirtschaft für hohe Qualität und Professionalität. Gerade in einer Branche mit derart hohen Summen im Tagesgeschäft ist dies unabdingbar. So gesehen muss man die Immobilienwirtschaft etwas in Schutz nehmen. Jedoch werden sich in Zukunft neue Formen der Kommunikation am Markt etablieren. Dies wird schneller und radikaler passieren, als man es derzeit erwartet. Die gängigen Formate stehen bereits heute unter Innovationsdruck, müssen sich aber noch wenig Gedanken um rückläufige Absatzzahlen machen. Für meine Generation ist Print weiterhin von großer Bedeutung. Schließlich sind die heute 20 bis 30-jährigen nicht mit Instagram, Snapchat und Co. aufgewachsen. Eine pauschale Abgrenzung unserer Generation ist aufgrund der rasanten technischen Entwicklung – zumindest meiner Meinung nach – nicht möglich. Deswegen verstehe ich auch den Begriff der "Generation Y" als Pauschalisierung einer sehr heterogenen Altersgruppe. Aber was ist mit den derzeitigen Teenagern? Print lockt hier niemandem vom Sofa! Durch die Ausweitung des immobilienwirtschaftlichen Angebots an deutschen Hochschulen steht künftig ein hoch qualifizierter Nachwuchs mit neuartigen Kommunikationsformen in den Startlöchern. Twitter ist dann bereits „old school“.  Von statischen Websites, wie sie derzeit in der Branche überall anzutreffen sind, müssen wir gar nicht reden. An dieser Stelle setzt Gewerbe-Quadrat.de an.

© Jonas Haberkorn
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greenIMMO: Beruflich wollen Sie jedoch keine journalistische Laufbahn einschlagen, sondern sind zur Zeit Masterstudent an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU). Davor haben Sie Geografie in Erlangen studiert und streben eine internationale Karriere als Asset- bzw. Immobilienmanager an, wenn diese Informationen stimmen. Welche Rolle spielen Innovationen in der immobilienwirtschaftlichen Ausbildung? Wird Ihnen vermittelt, wie man Trends frühzeitig erkennt und systematisch im Unternehmen angeht?

 

Jonas Haberkorn: Es ist für mich erst der Beginn einer langen Reise in die spannende Immobilienwelt. Journalismus sollte in einer Ausbildung immer von Signifikanz sein. Schließlich ist Pressearbeit im Unternehmen als Geschäftsstrategie verankert. Kommunikation wird in der Immobilienbranche in den nächsten Jahren auch tendenziell an Bedeutung gewinnen, vor allem durch die Möglichkeiten von Social Media. Wenngleich ich keinen Einblick in sämtliche Immo-Hochschulen habe, bin ich der Überzeugung, dass Innovationen in der Ausbildung zunehmend thematisiert werden. Natürlich müssen in einem Bachelorstudium zunächst die Grundlagen in Betriebswirtschaft, Recht, etc. erlernt werden. Aber durch Seminararbeiten, Planspiele, Exkursionen oder Gastvorträge wird das studentische Bewusstsein für Themenfelder wie Nachhaltigkeit oder neue Technologien geschärft. Im Übrigen bin ich mit meinem Bachelorabschluss in Geographie von dem Praxisbezug der immobilienwirtschaftlichen Studiengänge begeistert. Viele Hochschulen fordern von den Studierenden zudem ein Praxissemester, sodass frühzeitig ein Einblick in das Tagesgeschäft von Unternehmen garantiert wird. Auch duale Studiengänge spielen in der Immobilienwirtschaft zunehmend eine Rolle und zeichnen sich durch eine angewandte Kombination von Theorie und Praxis aus. Dennoch dürfen sich Hochschulen keineswegs ausruhen, sondern müssen nun ihre erworbene Professionalität in einen gesamtheitlichen Kontext zur Förderung von Innovationen in der Immobilienwirtschaft einbringen.

 

greenIMMO: Wie schätzen Sie die Chance ein, als Start-up in der Immobilienbranche eine Karriere zu beginnen? In anderen Sektoren reißen sich die Investoren um die smarten Youngster. Warum ist davon in der Immobilienwirtschaft so wenig zu spüren? Wollen Sie und Ihre Kommilitonen nichts riskieren?

 

Jonas Haberkorn: Wann sollen wir neben dem Vollzeitstudium, mehreren Praktika oder Werkstudenten-Tätigkeiten die Zeit für eine Unternehmensgründung finden? Die Anforderungen an heutige Studenten der Immobilienbranche sind hoch. Viele Studenten „trimmen“ deshalb Ihren quasi lückenlosen Lebenslauf durch Praxiserfahrungen, Auslandsaufenthalte, etc. Meiner Meinung nach sind die gewachsenen Anforderungen jedoch nicht der alleinige Grund für (noch) mangelnde Start-ups. Es steckt mehr dahinter. Mein persönlicher Eindruck ist, dass sich Studenten der Immobilienwirtschaft relativ früh auf einen Schwerpunkt bzw. eine Zielrichtung festlegen. Nicht zufällig handelt es sich bei dem Berufsanfänger meist um den ehemaligen Praktikanten. Ist etwa das professionelle Personalwesen, sprich Human Resources, an der Problematik beteiligt? Vielleicht. Aufgrund des achtjährigen Gymnasiums sinkt tendenziell das durchschnittliche Alter der Erstsemester. Nicht selten ist ein Erstsemester im Bachelor heute 17 Jahre alt. Mit spätestens 21 Jahren hat man dann den Abschluss in der Tasche. Mit 21! Hat man in Ihrer Generation mit 21 Jahren eine Unternehmensgründung in Betracht gezogen? Natürlich ist das überspitzt formuliert.

 

Im Kern geht es mir darum, dass eine hohe Anzahl an gut ausgebildeten Nachwuchskräften existiert, welche kräftig von etablierten (Groß-) Unternehmen umworben wird. Eine Festanstellung garantiert dem Absolventen – angesichts der derzeitigen Marktsituation – finanzielle Sicherheit und den Beginn einer aussichtsvollen Karriere. Ein Start-up zu gründen erfordert Mut und die Bereitschaft gnadenlos zu scheitern. Mit 21 Jahren und einem lückenlosen Lebenslauf fehlt dementsprechende Lebenserfahrung und mitunter der Blick über den Tellerrand. Zudem ist man in diesem Alter noch nicht wirklich erprobt im Umgang mit negativen Erfahrungen und daraus resultierenden Erkenntnissen über eigene Stärken und Schwächen.

 

Außerdem darf man den Kern unserer Branche nicht aus den Augen verlieren: Die Immobilie. Wir haben es hier nicht mit alltäglichen Konsumgütern oder Dienstleistungen wie in der Finanzbranche zu tun (Stichwort FinTech). Stattdessen verfügt das Wirtschaftsgut Immobilie über besondere Eigenschaften. Bedenke man nur den Lebenszyklus unterschiedlicher Immobilienarten! Im Übrigen gibt es in der Immobilienwirtschaft – ganz im Gegensatz zu anderen Wirtschaftszweigen – keinen deutschlandweiten Markt. Dementsprechend existiert in der Branche eine Vielzahl regionaler Märkte (Teilmärkte). Konsequent zu Ende gedacht stellt das ein Argument für die Gründung von Start-ups dar. Die Immobilienbranche ist relativ kleinteilig, sodass spezialisierte Unternehmen sich schneller am Markt etablieren können. Leider haben wir in Deutschland eine dürftige Venture-Capital-Finanzierung, sodass die Rahmenbedingungen für Start-ups nicht gerade ideal sind. Dennoch bin ich überzeugt, dass junge Unternehmen die Immobilienwirtschaft bald unsicher machen. Ein Schwerpunkt wird in den kommenden Jahren bei technologieinduzierten Innovationen zu finden sein. Schließlich besteht in jeder Branche ein Wettbewerbsvorteil für Early Adopter (frühzeitige Anwender) von Technologien. Auch ich habe bereits eine neue Idee.

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greenIMMO: Wie ließe sich eine Art Gründergeist in der Immobilienwirtschaft verankern, damit neue und auch quergedachte Ideen stärker berücksichtigt werden und nicht immer wieder alter Wein durch neue Schläuche läuft?


Jonas Haberkorn: Zum Beispiel mithilfe von generationenübergreifenden Kommunikationsplattformen wie Gewerbe-Quadrat. Nein, ganz im Ernst: Derzeit mangelt es unter anderem an einer Vernetzung zwischen etablierten Professionals und der aufstrebenden Generation. Professionals sind aufgrund Ihres Berufsalltags sehr gut miteinander vernetzt. Studierende sind wiederum über die eigene Hochschule vernetzt. Eine übergreifende Kommunikation existiert gerade einmal in Ansätzen. Dies ist auf einzelne immobilienwirtschaftliche Verbände und Interessensgruppen begrenzt. Wie bereits erwähnt handelt es sich bei der Immobilienwirtschaft um einen jungen und stark fragmentierten Wirtschaftszweig. Faktisch gesehen müssten neue Partnerschaften und Kommunikationsmittel entstehen, sodass ein regelmäßiger Austausch zwischen den Generationen stattfinden kann. Insbesondere die kleinteilige Immobilienbranche lebt schließlich von ihrem Netzwerk-Charakter. Denken Sie beispielweise an eine Projektentwicklung. Im Gegensatz zur ITK-Branche benötigt man bei immobilienwirtschaftlichen Innovationen ein breites Netzwerk, da eine Vielzahl von Akteuren beteiligt ist. Eine disruptive Innovation ist in der Immobilienwirtschaft nicht von einer Person zu vollbringen.


Die Chance eine Art Gründergeist zu verankern liegt vor allem in der Bildung von Innovationsclustern. Nicht umsonst ist Deutschland das Paradebeispiel für sehr erfolgreiche Cluster in Forschung und Industrie. Voraussetzung für die Entstehung solcher Netzwerke sind in erster Linie gemeinsame Interessen. Jedoch herrscht insbesondere an deutschen Hochschulen ein starker Wettbewerb um junge Nachwuchskräfte. Und von dem Wettbewerb unter Arbeitgebern der Immobilienwirtschaft müssen wir gar nicht sprechen. Erst durch Zusammenschlüsse von Forschung, Wirtschaft und auch Politik können Innovationen in der Immobilienwirtschaft entstehen. Nicht zuletzt müsste die Branche auch einen Imagewandel durchlaufen, um attraktiver für Quereinsteiger zu werden. Das Bild der Immobilienwirtschaft ist in den Köpfen der Bevölkerung auch im Jahr 2015 vom klassischen Immobilienhai geprägt. Die einzigartige Vielfalt an interdisziplinären Fragestellungen der Branche ist von außen meist nicht erkennbar. Darum müssen innovative Ansätze nach außen getragen werden, um Querdenker für die Branche zu begeistern. Schließlich lieben wir die Immobilienwirtschaft aufgrund ihrer zahlreichen Dimensionen und der Vielfalt an faszinierenden Persönlichkeiten.


greenIMMO: Herr Haberkorn, wir wünschen Ihnen viel Erfolg auf Ihrem weiteren Weg.