© Susanne Hügel
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greenIMMO: Frau Hügel, Sie stecken mitten in Ihrer Doktorarbeit, die sich mit Innovation in der Immobilienwirtschaft beschäftigt. Was gibt es dazu Spannendes zu erforschen?

 

Dipl.-Ing. Susanne Hügel: Bei dem Thema Innovation in der Immobilienwirtschaft denken viele zunächst an technologische Neuerungen oder innovative Baumaterialien, die die physischen Eigenschaften, die Nutzung oder Herstellung der Gebäude verändern und weiterentwickeln. Unter diesem Blickwinkel forschen verschiedene Ingenierurwissenschaften z.B. Materialwissenschaften oder Bauingenieurwesen, die Entwicklungen wie z.B. schaltbares Glas hervorgebracht haben. Betrachtet man die Immobilienwirtschaft genauer, finden sich dort viele Geschäftsmodelle, die unterschiedlichste Dienstleistungen für das physische Produkt „Immobilie“ und dessen Nutzer anbieten. Von diesen drei Innovationsbereichen der Immobilienwirtschaft - Produkt, Dienstleistung und Geschäftsmodell der Immobilienunternehmen - wurden die letzten beiden bisher kaum erforscht, was der Mangel an entsprechenden Daten unterstreicht. In meiner Doktorarbeit setze ich genau hier an und nehme die strukturellen Eigenschaften der Immobilienwirtschaft und ihrer Unternehmen unter die Lupe, wobei auch die Neuartigkeit der Dienstleistungen und unternehmerischen Prozesse eine Rolle spielen. Im Fokus der Untersuchung steht der Bezug zwischen den unternehmensexternen und -internen Eigenschaften und der Innovationsfähigkeit der Unternehmen bzw. immobilienwirtschaftlichen Subsektoren. Ich bin schon sehr gespannt, welche Erkenntnisse aus der Untersuchung gewonnen werden!

 

greenIMMO: Wie ist es denn in der Praxis um die Innovationskraft von Immobilienunternehmen bestellt? Eigentlich müssten dort doch per se die Trendsetter versammelt sein, um zukunftsfähige Immobilien zu entwickeln und zu betreiben. Schließlich werden erhebliche Summen in Gebäude investiert, die dauerhaft Erträge erwirtschaften müssen. Wie ist Ihre Erfahrung?

 

Dipl.-Ing. Susanne Hügel: Zur Ausprägung der Innovationskraft bzw. -fähigkeit kann ich bis zur Auswertung meiner Unterstuchung nur Hypothesen aufstellen. Das Wort „Trendsetter“ zielt per Defintion auf einen kurzfristig vorübergehende und nicht langfristig angelegte Veränderung ab. Schon allein, weil die typischen Eigenschaften der Immobilie d.h. die lange Entwicklungsdauer und der lange Lebenszyklus nicht kurzfristig angelegt sind, steht „trendsetting“ in einem gewissen Widerspruch zur Immobilienwirtschaft. Wie sie schon richtig gesagt haben, ist der Kapitaleinsatz und auch die Materialintensität sehr hoch. Nicht zuletzt deswegen sollte es darum gehen, langfristige Werte zu schaffen, indem gesellschaftliche Entwicklungen frühzeitig erkannt werden und auf sie wertschöpfend und nachhaltig geantwortet werden. Die Immobilienwirtschaft zeigt sich zwar in den Gedanken über die Drittverwendungsfähigkeit einer Immobilie zukunftsgerichtet, allerdings sind Investoren und Finanzierer oftmals durch kurz- und mittelfristige Ziele getrieben. Daher nehmen sie meist gegenüber langfristigen und zukunftsweisenden Themen in Bezug auf die Immobilie eine passive Haltung ein. Je länger aber ihr Investitionshorizont, desto relevanter werden diese Themen.

© Susanne Hügel
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greenIMMO: Hatten Sie bereits die Gelegenheit, an der Entwicklung einer technischen oder serviceorientierten Neuerung mitarbeiten zu können?

 

Dipl.-Ing. Susanne Hügel: Meinen Berufseinstieg nach dem Architektur-Studium führte mich in ein Startup-Unternehmen aus dem Bereich Gebäudeautomation und Energiemanagement. Als Mitglied der ersten Stunden hatte ich die Möglichkeit beim Aufbau des Unternehmens von Beginn an verantwortungsvolle Aufgaben zu übernehmen, was mir Einblicke in die vielfältigen Firmenbereiche einbrachte. Zudem lag mein Schwerpunkt in der Neu- und Weiterentwicklung der Produkte und den Aufbau des Produktmanagements. Dort entwickelten wir ein intelligentes effizientes Heizungssteurungssystem, das sich zu einem umfassenden Smarthome-System erweitern und im Bestand einfach nachrüsten lässt. Das System lernt selbstständig die Gebäudeeigenschaften, die die klimatischen Bedingungen beeinflussen, und ermittelt unter zusätzlicher Berücksichtigung der akutellen Wetterprognosen für den jeweiligen Standort vorausschauend die richtige Startzeit für den Aufheizvorgang, so dass zur gewünschten Zeit die Wunschtemperatur im jeweiligen Raum erreicht ist. So wird nur die Menge an Energie verwendet, die für den gewünschten Komfort notwendig ist. Dabei fand ich besonders spannend, wie die Bedürfnisse des Kunden an sein physisches Umfeld gleichermaßen mit den Ansprüchen an eine intuitive Anwendung und unauffällige Integration erfüllt werden und zusammenspielen müssen. Genau an dieser Stelle, wo der pragmatische Nutzen auf eine erhöhte Benutzerfreundlichkeit trifft, liegt der Mehrwert. Dieses Prinzip lässt auf viele andere Bereiche übertragen.

 

greenIMMO: Wenn ja, welche Rolle spielte dabei der Blick über den Tellerrand, also die Fähigkeit, über den eigenen immobilienwirtschaftlichen Horizont hinaus zudenken?

 

Dipl.-Ing. Susanne Hügel: Da es meist nicht nur um die Erfüllung einer einzigen Anforderung geht, sondern um das Zusammenspiel vieler Facetten, ist Offenheit, Neugier und der Blick über den Tellerrand wesentlich. Viele Produkte und Dienstleistungen sind heutzutage nicht mehr klar abgrenzbar: sie verschmelzen zu einem Hybrid aus Produkt- und Serviceangebot oder sind nicht mehr eindeutig einer Branche zu zuordnen, da die Grenzen dazwischen immer weiter verschwimmen. Im Fall des Start-Ups, bei dem ich gearbeitet hatte, kamen Aspekte aus IT, Energiemanagement, Immobilienwirtschaft und Nachhaltigkeit zusammen. Der Blick über den Tellerrand ermöglicht, die Standards, Herausforderungen und Entwicklungen in den jeweiligen Bereichen wahrzunehmen. Mit diesen Erkenntnissen kann die eigene Wettbwerbsfähigkeit und ein möglicher Handlungsbedarf besser abgeschätzt und angegangen werden. Und natürlich sollte auch der disruptive Druck, der von außen auf die eigene Industrie ausgeübt werden kann, nicht außer Acht gelassen werden. Schaut man sich die Taxi-Industrie an, sieht man, dass sich der Blick über den Tellerrand mittlerweile doppelt lohnt: ein junges Unternehmen namens „Uber“ hat mit einer radikalen Idee und unter Verwendung neuer Technologien die etablierten Geschäftsmodelle einer ganzen Industrie ins Wanken gebracht. Und das praktisch über Nacht!

 

greenIMMO: Welchen Einfluss hat Ihrer Recherche nach die Digitalisierung auf die Branche? Der IT-Gigant Cisco rechnet z.B. damit, dass sich dadurch das Geschäftsumfeld von Unternehmen in den nächsten 5 Jahren gravierend verändern wird. Und wenn man genau hinguckt, findet die Transformation von Büroimmobilien, Hotels und Shopping Centern hin zu multifunktionalen Orten bereits statt. Was und vielleicht auch wen braucht die Immobilienwirtschaft, um die Veränderungen zu bewerkstelligen?

 

Dipl.-Ing. Susanne Hügel: Die Digitalisierung hat bereits in vielen Bereichen des menschlichen Lebens Einzug gehalten und ist nicht mehr wegzudenken. Sie bietet neue Möglichkeiten, die das Zusammenleben der Menschen und das unternehmerische Handeln verändern und auf lange Sicht weitreichend beeinflussen. Die Digitalisierung bringt viele Vorteile mit sich, wie z.B. die erhöhte Transparenz, schnellere Verfügbarkeit von Informationen und Unbahängigkeit, die von den Nutzern der Technologie geschätzt und immer mehr eingefordert werden. Wer nicht mitzieht, wird - früher oder später - abgestraft. Darauf muss sich auch die Immobilienwirtschaft einstellen und entsprechend ihre Angebote, aber vor allem ihre Prozesse anpassen. Dass die Qualtiät und Effizienz von Managemententscheidungen von der Digitalisierung profitieren und so die Branche professionalisieren können, belegt eine bei uns am Real Estate Management Institute (REMI) zum Thema „Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft“ durchgeführte Studie. Sie zeigt zudem, dass Online-Plattformen bei der Immobilienvermittlung eine wachsende Bedeutung beigemessen wird, allerdings mit einer Koexistenz von On- und Offline-Vetriebskanälen gerechnet wird. Bei der Immobilie selbst wird davon ausgegangen, dass das veränderte Einkaufsverhalten und die damit verbundene Verlagerung von stationär zu online ein Nachfrageverschiebung bei den Einzelhandels- und Logistikflächen bewirken wird. Diese Verschiebung und die parallele Entwicklung zu einer flächendeckenden Verfügbarkeit des Internets eröffnet Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle/ birgt große Potentiale. Da sind Köpfe in der Immobilienwirtschaft gefragt, die diese Prozesse aktiv mitgestalten und sich nicht abwartend von anderen Bracnhen die Zügel aus der Hand nehmen lassen.

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greenIMMO: Wissen Sie, ob es einen Arbeitskreis oder eine Plattform gibt, wo sich junge Innovatoren aus der Immobilienwirtschaft mit Querdenkern aus anderen Branchen vernetzen können?

 

Dipl.-Ing. Susanne Hügel: Die „jungen Wilden“ der Branche finden sich bei Veranstaltungen von z.B. Inkubatoren zusammen, wo sich Gleichgesinnte und Interessierte in entspannter Runde untereinander austauschen und vernetzen können. Je interdisziplinärer und offener eine solche Veranstaltung oder der Inkubator selbst aufgestellt ist, desto heterogener der Hintergrund des Publikums. Die Beteiligungssgesellschaft Triple-A Holding aus Eschborn, beispielsweise, die Start-Ups aus verschiedenen Branchen mit Raum und Rat unter die Arme greift, veranstaltet einmal im Monat ein Grillfest für die Mitarbeiter aus dem Haus und der umliegenden Firmen, bei der nicht nur Querdenker zusammenkommen. Eine schöne Sache!

 

greenIMMO: Durch die Generation Y, der Sie selbst angehören, wenn ich das sagen darf, verändert sich die Arbeitskultur in Unternehmen enorm. Es fängt beim Arbeitsplatz und Büroumfeld an und geht bis zur Förderung von Frauen und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wann ist ein Immobilienunternehmen für Sie sexy? Wo Sie sagen: Ja, die bewegen was, da will ich dabei sein?

 

Dipl.-Ing. Susanne Hügel: Gen Y und der „War of Talents“ ... mit diesen Entwicklungen beschäftigen sich viele Unternehmen, nicht nur in der Immobilienwirtschaft. Die Zahl der jungen qualifizierten Arbeitnehmer ist rückläufig und ihre Anforderungen an den Arbeitgeber verändern sich. Da wird es für Unternehmen zunehmend schwieriger, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, wenn sie sich nicht mitverändern. Ich würde nicht sagen, „die bewegen was, da will ich hin“, sondern „die machen etwas richtig und die sind gut drauf, da will ich hin“. Wir verbringen so viel Zeit am Arbeitsplatz und mit den Kollegen, da ist es mir wichtig, dass die Unternehmenskultur, das Team und die Arbeitshaltung stimmen. Was gibt es besseres, als wenn man gerne zur Arbeit geht, einen gemeinsamen Anspruch verfolgt und sich dadurch gerne einbringt?!

 

greenIMMO: Frau Hügel, wir wünschen Ihnen gutes Gelingen für Ihre Doktorarbeit.