Spaces 2012: Neues Arbeiten


Sind heutige Büroimmobilien fit für die "Arbeitswelt der Zukunft"?

 

Autorin: Dagmar Hotze | Fotos: greenIMMO Medien

 

28. November 2012 - Wer den Innovationskongress Spaces 2012 gestern in Hamburg besucht hat, darf sich glücklich schätzen – er/sie hat das Rüstzeug für Kommendes erhalten. Von der ausgesuchten Eventlocation (eine seit 2 Jahren leerstehende Büroetage direkt gegenüber dem Hamburger Hauptbahnhof) bis zum hervorragend bestückten Referentenpool hat alles stimmig zusammengepasst. Zusammengepasst deshalb, weil der Blick für Zusammenhänge geschärft wurde, die – wenn sie nicht zeitnah gemeinsam angegangen werden – (immobilien-)ökonomisch und gesellschaftlich schwerwiegende Folgen nach sich ziehen könnten.

Der Arbeitnehmer von Morgen soll's bequem haben | Bild: greenIMMO
Der Arbeitnehmer von Morgen soll's bequem haben | Bild: greenIMMO

Zukunftsfähige Organisationsformen finden

 

Warum ging es? Der Tag wurde genutzt, um unterschiedliche Perspektiven für die Arbeitswelt der Zukunft zu eröffnen und deren Auswirkungen auf Büroimmobilien und den Immobilienmarkt. Dazu referierte ein interdisziplinär zusammengestellter Rednerpool, angefangen von Franz-Reinhard Habbel vom Deutschen Städte- und Gemeindebund über Bruno Zwingmann vom Deutschen Netzwerk Büro bis zu Dr. Wilhlem Bauer, Fraunhofer IAO (Die Arbeitsstadt der Zukunft) und Klaus Burmeister (Megatrends und die Auswirkungen auf die Arbeitswelt). Sie machten deutlich, dass die Veränderung der Arbeit durch moderne Technologien und die demografische Entwicklung gravierende Auswirkungen auf das gesellschaftliche Gefüge und das wirtschaftliche Fortkommen in Deutschland haben werden. Eng damit verbunden ist die zukünftige Organisation von Stadt (Makroebene) auf der einen Seite und die Struktur von Unternehmen (Mikroebene) andererseits, die eine bisher nie gekannte Vielfalt von Arbeitsformen und -möglichkeiten anbieten werden. Ort und Zeit spielen im Zeitalter des Internets keine Rolle. Arbeit und (emissionsfreie und umweltschonende) Produktion kann überall und immer verrichtet werden. Durch diese Auflösung ergäben sich enorme Chancen für alle Beteiligten, sie bergen aber auch nicht zu unterschätzende Risiken.

Arbeitnehmer als Unternehmer in eigener Sache

 

Schöne, neue Arbeitswelt also? Mitnichten, wie ein Blick auf die Situation der Arbeitnehmer zeigte, den Magdalena Kaminski vom Hamburger Amt für Arbeitsschutz wagte. Ihre Situation als festangestellte Vollzeit-Schreibtischarbeiter hat sich bereits verändert und wird sich noch stärker verändern. Jeden morgen ins Büro – wozu? Jeden Tag die gleiche Arbeit – weshalb? Immer die 40-Stunden-Woche – wieso? Doch so schön sich die Ideen von Co-Working, Open Space, Desk Sharing, Starbucks-Ambiente und Home Office anhören, als Arbeitnehmer beschleicht einen der Verdacht, dass sich die bisher gekannten (und bewährten!) Strukturen zwischen Unternehmen, Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Gewerkschaften in der Auflösung befinden.

 

Fakt ist, dass die Krankheitstage wegen Burn-out zwischen 2004 und 2010 pro 1.000 sozialpflichtig Versicherter von 4,3 auf mehr als 63 Tage im Jahr gestiegen sind, die Zahl temporärer und prekärer Beschäftigungsverhältnisse mit geringer Bezahlung ebenfalls. Jeder für sich und Gott für uns alle – ist das der Slogan der Zukunft für Arbeitnehmer? Bernd Fels von if5 anders arbeiten brachte seine Erfahrungen aus der Begleitung des Unilever-Konzerns ein: Ein Unternehmen müsse eine Vision entwickeln, in welchen Strukturen und Organisationsformen es zukünftig arbeiten möchte, um (international) wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Position der Arbeitnehmer, wie und wo auch immer sie arbeiten, wird sich angesichts der knapper werdenden „Ressource Mensch“ stärken. Denn nur mit kreativen und zufriedenen Mitarbeitern werden Unternehmen in Zukunft bestehen können. Allein ein Kickertisch wird nicht ausreichen, um die Wissensarbeiter zu halten. Junge Bewerber wüssten bereits um ihren „Wert“, so seine Erfahrung und würden diesen bei Verhandlungen ausspielen. In Zukunft also mehr Selbstvertrauen bitte!?

Die Eventlocation war "zukunftsfähig" eingerichtet | Bild: greenIMMO
Die Eventlocation war "zukunftsfähig" eingerichtet | Bild: greenIMMO

Büroimmobilienmarkt vor enormen Umwälzungen

 

Was hat nun die Immobilienwirtschaft mit der veränderten Arbeitswelt zu tun? Auch wenn sie es nicht wissen mag oder nicht wissen möchte: Sie ist bereits jetzt von den Umwälzungen betroffen und wird es in Zukunft noch wesentlich stärker sein. Der Vortrag von Prof. Dr. Andreas Pfnür vom Fachbereich Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre an der TU Darmstadt, holte die enthusiastische Zuhörerschaft – motiviert durch Ideen für Eckbüros, Dorfbüros und Smart Villages - wieder auf den Boden der Tatsachen. Denn die Notwendigkeit, neue Konzepte für Büroimmobilien (allein in Hamburg stehen über 1 Million Quadratmeter Bürofläche leer) zu entwickeln, damit daraus eine „Arbeitswelt der Zukunft“ entstehen kann, sei bei den Real Estate Managern noch gar nicht angekommen. Ja, man könne doch leerstehende Büros in Wohnungen mit Home Offices und Co-Working-Spaces umwandeln. Der Zahn war vom Fachmann schnell gezogen: Alle Theorien des Vormittags, so sinnhaft sie auch sein mochten, bedeutet für das Asset Management eine massive Wertkorrektur der Bestände nach unten. Und was das bedeutet, erleben wir seit 2007 - und die Situation hat sich auch in Europa nicht verbessert. Im Gegenteil.

 

Die Frage nach der Zukunftsfähigkeit von Bürogebäuden ist virulenter denn je, denkt man an steigende Energiekosten, mangelnde technische Infrastruktur, usw. Führt man sich dann vor Augen, dass große deutsche Unternehmen 19 % ihres Vermögens in Immobilien investiert haben, wie Andreas Pfnür dankenswerterweise aufschlüsselte, kann man erahnen, welche Folgen Refurbishments haben, mit denen sich wahrscheinlich weniger Rendite erzielen ließe. Dies würde eine Wertkorrektur nach sich ziehen. Nicht weniger als die Volkswirtschaft stünde dann auf dem Spiel, so der Fachmann. Wie sich denn mehr Offenheit und Handlungsbereitschaft erzeugen lasse, in Anbetracht der sich zuspitzenden Problemstellung, wusste jedoch auch der langerfahrene Experte nicht.

 

Interdisziplinäres Arbeiten dringend erforderlich

 

Der Tag reichte somit von der schönen, neuen Arbeitswelt bis in die Schreckenskammer unzeitgemäßer Büroimmobilien. Am Ende waren sich alle einig: Es bedarf einer deutlichen Intensivierung des interdisziplinären Austausch zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik, sollen die Herausforderungen der Zukunft - die meistens im Zusammenhang mit Immobilien stehen! - bewerkstelligt werden. Und hier steht die Immobilienbranche, trotz Green Buildings, Gebäudezertifikate und Nachhaltigkeitsdebatte, erst ganz am Anfang. Seien wir also gespannt auf Spaces 2013, wenn sich die Welt wieder ein Stück weiter gedreht hat.

 

Gehören Sofas und Lounges zur Büroausstattung der Zukunft? | Bild: greenIMMO
Gehören Sofas und Lounges zur Büroausstattung der Zukunft? | Bild: greenIMMO